Lillit folgte dem schmalen Pfad, der sich hinter den flüsternden Felsen geöffnet hatte. Der Schnee knirschte leise unter ihren Pfoten, und die Luft wurde kälter, je weiter sie ging. Ein feiner Nebel legte sich über den Weg, und das Licht der leuchtenden Bäume war kaum mehr zu sehen.
Nach einer Weile öffnete sich der Wald und vor ihr erhob sich eine gewaltige Tür aus purem Eis. Sie war größer als alles, was Lillit je gesehen hatte, und ihre Oberfläche war mit frostigen Mustern bedeckt, die sich in ständiger Bewegung zu befinden schienen. Es war, als ob der Winter selbst diese Tür erschaffen hätte.
Lillit blieb stehen und starrte ehrfürchtig hinauf. Die Tür schimmerte im sanften Licht des Nebels und sie konnte die Kraft spüren, die von ihr ausging. Doch sie wusste, dass sie nicht einfach eintreten konnte. Die Spuren des Hüters führten direkt zu der Tür, doch waren dort tiefer. So, als ob der Hüter auf etwas gewartet hätte.
„Die Eistür“, murmelte Lillit zu sich selbst. „Das muss der Ort sein, den ich in meiner Vision gesehen habe.“
Kaum hatte sie gesprochen, begann die Tür zu vibrieren. Ein tiefer Klang erfüllte die Luft, wie das Donnern eines fernen Sturms. Dann erklang eine kalte und mächtige Stimme:
„Nur wer den Winter versteht, darf eintreten. Antworte, Sucherin: Was ist das Herz des Winters?“
Lillit überlegte. Das Herz des Winters musste mehr sein als nur ein Kristall. Es war die Quelle der Magie, die den Wald am Leben hielt, aber es war auch etwas, das die Wesen des Waldes verband. Sie dachte an die Tiere, die Bäume, die magischen Wesen, die alle von der Magie des Waldes abhängig waren.
„Das Herz des Winters ist die Magie, die alles im Wald verbindet“, antwortete sie schließlich. „Es ist Hoffnung, Leben und die Kraft, den Winter zu überstehen.“
Die Tür vibrierte erneut, und das frostige Muster auf ihrer Oberfläche begann zu leuchten. Die Stimme sprach wieder: „Du hast einen Teil der Wahrheit erkannt, doch das Herz ist mehr. Es ist auch der Spiegel dessen, was in dir liegt. Nur wer sich selbst versteht, kann es finden.“
Lillit spürte ein Ziehen in ihrer Brust. Sie hatte auf dieser Reise viel über sich selbst gelernt, aber die Worte der Tür erinnerten sie daran, dass sie noch mehr Prüfungen vor sich hatte.
Langsam begann die Eistür, sich mit einem tiefen Grollen zu öffnen. Dahinter lag ein neuer Teil des Waldes, der noch dunkler und kälter war als alles, was sie bisher gesehen hatte. Der Pfad führte in eine tiefe Schlucht, deren Wände mit glitzerndem Eis bedeckt waren. Lillit zögerte, doch dann setzte sie ihre Pfoten fest auf den neuen Weg.
„Du bist weit gekommen, kleiner Hund“, erklang plötzlich eine vertraute Stimme. Der Schneewandler tauchte aus den Schatten auf, seine leuchtenden Augen auf Lillit gerichtet. „Doch hinter dieser Tür liegt eine neue Herausforderung auf dem Weg zur ganzen Wahrheit. Bist du bereit, ihr zu begegnen?“
Lillit sah ihn an und nickte entschlossen. „Ich bin bereit.“
Der Schneewandler deutete auf den Weg, der in die Schlucht führte. „Dann geh. Doch wisse: Deine Reise verlangt mehr als nur Mut.“
Mit diesen Worten verschwand er wieder im Nebel. Lillit atmete tief durch und trat in die Schlucht ein. Der Weg vor ihr war dunkel und ungewiss, doch sie wusste, dass sie dem Herz des Winters näher war als je zuvor.